Auseinandersetzungen vor dem Baubeginn

AktenabschriftNur noch wenige Dokumente sind erhalten, welche die Ver­wal­tungs­vor­gän­ge zur Zeit der Anfänge der Kolonie belegen. Während im Ge­mein­de­bü­ro Lieskau nur noch wenige Protokolle der Ge­mein­de­rats­ver­samm­lun­gen vorhanden sind, liegen im Stadtarchiv Halle vier Abschriften von Ge­mein­de­rats- bzw. Kirchenratsprotokollen vor, die einen Eindruck über die Er­eig­nis­se im Zusammenhang mit der frühen An­sied­lungs­pha­se ver­mit­teln. Sie sind unten als Abschriften wiedergegeben.

Schon kurze Zeit nach der Eintragung des Vereins Waldheil e.V. in das Vereinsregister am 26. Juli 1909 ent­wickel­ten die Mitglieder konkrete Pläne zur Besiedlung des angekauften Areals. Im September 1909 ent­stan­den detaillierte Bauskizzen und Pläne zur Aufteilung des Gebietes in einzelne Parzellen. Der Tele­gra­phen­sek­re­tär a. D. Franz Braun und Luise Kugler, die Witwe eines Bahnmeisters, beide aus Halle an der Saale, gehörten zu den ersten, die bei der zuständigen Behörde, dem Kreisausschuss des Saalkreises, einen Antrag zur Genehmigung für den Bau eines Einfamilienwohnhauses einreichten.

Die Baugenehmigungsanträge lösten sowohl in der Verwaltungsgemeinde als auch in der Kir­chen­ge­mein­de Lieskau einen heftigen Meinungsaustausch aus. Die zuständigen Verantwortungsträger ergriffen schnell Par­tei ge­gen die neuen Siedler und führten eine umfangreiche Liste von Argumenten an, die aus ihrer Sicht gegen eine Ansiedlung sprachen. Mit der Festsetzung unterschiedlichster Auflagen wurde versucht, beim Kreis­aus­schuss die Genehmigung zu verhindern. Im Protokoll einer Gemeinderatssitzung wurde fest­ge­hal­ten, dass „der Gemeinde nur Lasten aber keine Vorteile" aus der geplanten Ansiedlung erwüchsen. So wer­den erhebliche Kosten für die damit notwendige Erweiterung von Schule, Friedhof und die Entstehung von Armenlasten angeführt. Die Ansiedlung sei daher nur zu genehmigen, wenn dafür von jeder sich neu an­sie­deln­den Familie Sicherheiten in Höhe von 7500 Mark bei der Gemeinde hinterlegt würden.

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Gemeindevertreterversammlung Lieskau 19.02.1910

Protokoll der Gemeindevertreterversammlung der Gemeinde Lieskau
(Abschrift vom 19. Februar 1910)

A b s c h r i f t,
Lieskau, den 19. Februar 1910.

Anwesend:

  • Der Gemeindevorsteher Schulze
  • die Schöffen
    • L. Hage
    • O. Hartwig.
  • Die Gemeindevertreter
    • E. Götze
    • F. Keil
    • R. Medewisch
    • K. Friedrich
    • K. Panitz
    • E. Nachtigall
    • Aug. Knaut
    • F. Golla
    • Alb. Knaut.

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Sitzung Gemeindekirchenrat Lieskau vom 18. Februar 1910

Protokoll der Sitzung des Gemeindekirchenrates von Lieskau vom 18. Februar 1910

Abschrift

Verhandelt Lieskau, d. 18. Febr. 1910, in der Sitzung des Gemeinde-Kirchenrats.

Anwesend sind sämtl. Mitglieder. Die Versammlung ist beschlußfähig.

Vorgelegt werden vom Vorsitzenden zwei Verfügungen des Kreis-Ausschusses des Saalkreises, inhaltlich deren a) der Telegraphensekretär a. D. Franz Braun in Halle a/S. und b) die verwitwete Frau Bahnmeister Luise Kugler in Halle a/S. beabsichtigen auf ihren in der Gemarkung Lieskau, unweit der Dölauer Heide – in der sogenannten Kolonie „Waldheil" – gelegenen Grundstücke je ein Einfamilienwohnhaus zu errichten und hierzu die Ansiedlungsgenehmigung beantragt haben, und woraufhin der Gemeindekirchenrat aufgefordert wird, eventuell geltend zu machende Anträge auf Festsetzung besonderer Leitungen für die Zwecke der Kirchenverhältnisse gebührendes Ortes rechtzeitig anzubringen. 

Nach eingehender Beratung dieser Angelegenheit kommt der Gemeindekirchenrat zu folgender Beschlussfassung: Da ausgesprochenermassen so ziemlich die ganze Gemeinde Lieskau der Einrichtung der betreffenden Kolonie in Lieskauer Flur durchaus ablehnend gegenübersteht und den Bau irgendwelcher Wohnhäuser an dem hierzu in Aussicht genommenen Ort absolut nicht wünscht,

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Beschluss Kreisausschuss Saalkreises 22. April 1910

Beschluss des Kreisausschusses des Saalkreises vom 22. April 1910

(Protokoll vom 2. Mai 1910)

Beschluß!

In der Angelegenheit, betreffend den Antrag des Telegraphensekretärs a. D. Franz Braun in Halle a/S., Alte Promenade 26 p., vom 18. Oktober 1909 auf Erteilung der Ansiedlungsgenehmigung zu dem Bau eines Einfamilienwohnhauses auf dem in der Gemarkung Lieskau unweit der Dölauer Heide in der Kolonie „Waldheil" belegenen Grundstücke, Kartenblatt 3, Parzelle 155/89 hat der Kreisausschuß des Saalkreises in seiner Sitzung am 22. April 1910 beschlossen,

die gegen den Antrag erhobenen Einsprüche

a.des Gutsbesitzers Albert Knaut in Lieskau vom 23. Februar 1910 und

b.der Fabrikbesitzer Gebr. Baensch in Dölau vom 7. März 1910

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Beschwerde des Vereins Waldheil e. V. vom 3. Mai 1910

Beschwerde des Vereins Waldheil e. V. vom 3. Mai 1910 gegen den Beschluss des Kreisausschusses des Saalkreises vom 2. Mai 1910(Abschrift vom 28. Mai 1910)

A b s c h r i f t,
Halle a/S., den 28. Mai 1910

An den Kreisausschuß Halle a/S.

In der Ansiedlungssache des Telegraphensekretärs  F r a n z   B r a u n

rechtfertige ich die gegen den Beschluß des Kreisausschusses vom 3.5.10 eingelegte Beschwerde wie folgt:

I. Ich schicke eine allgemeine Bemerkung voraus:

1.       Die Ansprüche der politischen Gemeinde stehen offensichtlich außer allem Verhältnis zu den sonst in der Gemeindeverwaltung üblichen Summen. Sie erwecken den Eindruck, als sollte dem wirklichen Bedarfe vorgeschlagen werden, oder als sollte der Verein Waldheil als willkommene Person gelten, um sonst nötige Gemeindeaufgaben auf ihn abzuwälzen.

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Verhandelt am 16. Juni 1910

Verhandelt in der gemeinsamen Sitzung des Gemeinde-Kirchenrates u. Schulvorstandes am 16. Juni 1910

Anwesend sind vom Gemeinde-Kirchenrat der Vorsitzende und die Mitglieder: Hartwig und Hage; vom Schulvorstand ebenfalls der Vorsitzende und die
Mitglieder: Hartwig, Hage und Dräßig.

1) In Ansiedelungssachen des Eisenbahnobersekretärs Gustav [sic!] Braun in Halle a. S. beschließt der Gemeinde-Kirchenrat: Der verehrliche Kreisausschuß wird gebeten, dem p Braun die Genehmigung zum Bau eines Einfamilienhauses in der sogenannten Kolonie Waldheil bei Lieskau nur unter der Bedingung zu erteilen, daß vor der Errichtung dieses Hauses eine Summe von 850 M hinterlegt und daß der Kirchengemeinde die Befugnis der Verwendung dieser Summe, wenn die Kolonie wegen Veränderungen bzw. einer Neuordnung der Kirchenverhältnisse irgendwie erfolgen müsse, zuerkannt wird. Die Höhe der zu hinterlegenden Summe bestimmt sich mit Rücksicht darauf, daß, wie früher schon bemerkt worden ist, eventuell eine Vergrößerung der Kirche nötig wird

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Verhandelt Lieskau den 13. Mai 1912

Verhandelt Lieskau den 13. Mai 1912 in der Sitzung der kirchlichen Gemeinde-Vertretung.

Zur Versammlung gehören 12 Mitglieder und der Vorsitzende. Die absolute Majorität beträgt 7. Anwesend sind 9 Mitglieder. Die Versammlung ist beschlussfähig.

Eingegangen ist der Beschluß des Provinzialrates in Waldheilangelegenheiten. Er hat bereits dem Gemeinde-Kirchenrat zur Kenntnisnahme vorgelegen. Eine einberufene Versammlung war nicht beschlußfähig.

Der Vorsitzende verliest den Beschluß; er lautet für die Kirchengemeinde durchaus ungünstig. Leider aber weiß kein Mitglied Rat und Tat, dagegen etwas weiteres unternehmen zu können. Soweit bekannt, wird auch die politische Gemeinde irgendwelche Gegenmaßnahmen nicht treffen. Die Versammlung beschließt notgedrungen, dasselbe zu tun.

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Verhandelt Lieskau den 19. Mai 1912

Verhandelt Lieskau den 19. Mai 1912 in der Sitzung der kirchlichen Gemeindevertretung.

Von 13 Mitgliedern sind 7 Mitglieder anwesend.

1) Der Vorsitzende teilt mit, daß er im Namen des Gemeinde-Kirchenrates doch noch eine Eingabe an den Provinzialrat in Waldheilangelegenheiten gemacht hat. Da aber die Vertretung der politischen Gemeinde beschlossen hat, weitere Schritte nicht zu tun, wird die kirchliche Gemeinde in Zukunft ebenso verfahren.

2) Der Vorsitzende gibt Aufklärung über den Verlauf der Tonverkaufsangelegenheit, und wurden dadurch eingetretene Mißverständnisse und Irrtümer aufgeklärt.

V. g. u. Hintzsche, Pastor, Vorsitzender. Hartwig, Medewisch.

Verhandelt Lieskau, den 2. Juni 1912

Verhandelt Lieskau, den 2. Juni 1912 in der Sitzung der kirchlichen Gemeinde-Vertretung und des Schulvorstandes

Von beiden Körperschaften ist eine Majorität von Mitgliedern gegenwärtig...

I. Punkt [Neue Ton-Offerte auf einem Morgen Küsteracker]

II. Punkt. Der Vorsitzende teilt mit, daß er auf seine Eingabe das Waldheil betreffend vom Provinzialrat Bescheid dahingehend erhalten hat, dass der Vorsitzende dieser Behörde, wenn er nach Halle komme, sich die Wünsche der Gemeindekirchenvertreter vortragen lassen wolle. Es wird beschlossen, daß der Gemeinde-Kirchenrat sich bei dieser Versammlung, wenn möglich, vollzählig beteiligen solle.

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Quellen

Quellen:
Schultze-Galléra, Siegmar von:
Kolonie "Waldheil" bei Lieskau
In: Der Heide-Bote. – 8 (1934), Nr. 43 vom 25.10.1934

Protokolle des Gemeindekirchenrates (GKR) Lieskau zur Kolonie "Waldheil", aus dem Protokollbuch Lieskau 1864 - 1928
im Pfarrarchiv Dölau (Transskriptionen: Raimund Hoenen)
Stadtarchiv Halle:
Vereine Nr. 269: Waldheil 1909 – 1936