Geschichte bis zur Gegenwart

Vor dem ersten Weltkrieg

 Bild: Das Waldheil nach einjährigem Bestehen = 1910

1909 Kolonie Waldheil nach einem Jahrhatte der Hallenser Juwelier Franz Robert Tittel zur Gründung einer Lauben- und Sommerhauskolonie direkt am Rand der Dölauer Heide bei Lieskau aufgerufen. Den Widerständen der Lieskauer Gemeindevertretung und des Ge­mein­de­kir­chen­rates zum Trotz wurde 1910 vom Kreisausschuss des
Saal­krei­ses die erste Bau­ge­neh­mi­gung für die Er­rich­tung eines Wohnhauses auf dem Gelände der Ko­lo­nie Wald­heil erteilt. Der Aufbau der Kolonie kam al­ler­dings nur langsam voran. Das ursprünglich sehr feuchte Gelände war durch den Berg­bau in Niet­leben ent­wäs­sert worden und war nun sehr trocken. Der heiße Sommer von 1911 er­schwer­te die Arbeiten, weil es zu diesem Zeitpunkt noch keine Wasserleitung gab. So existierten ein Jahr nach dem Baubeginn nur einige Lauben und kleine Gar­ten­häus­chen in den abgegrenzten Parzellen.
1912 wur­de die Kolonie schließlich an die Was­ser­ver­sor­gung durch das Dö­lau­er Was­ser­werk angeschlossen.

 

 

Bild: Lage- und Höhenplan

Lage- und HöhenplanInsgesamt war das Gelände des Vereins in 200 Parzellen unterteilt, die jeweils zur Hälfte für Sommerhäuser und für Gartenlauben vorgesehen waren, wobei die Mitglieder auch mehrere Parzellen erwerben konnten.
1912 wurde das erste Wohnhaus, eine Villa, errichtet. Der Erbauer musste bei der Gemeinde Lieskau für entstehende zusätzliche Gemeindelasten 500 Mark als Kaution hinterlegen. Die ursprünglich von der Ge­mein­de geforderte Summe von 10800 Mark hatte im Vorfeld für heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Verein und der Gemeinde geführt.

 

Zwischen den Weltkriegen

Bild: Kolonie Waldheil um 1929/30

Der erste Weltkrieg verhinderte einen schnelleren Ausbau der Kolonie. Die Le­bens­mit­tel­knapp­heit ließ die Kolonie zur „Gemüsekolonie" werden. Auf dem Ge­län­de wurden Kohl, Hülsenfrüchte und Salat angebaut. Um sich die Be­wirt­schaf­tung zu erleichtern, wur­den gemeinschaftlich Gerätschaften angeschafft.
1920 gab es 21 Hausbesitzer in der Kolonie, die alle aus Halle stammten. Sechs Jahre spä­ter wur­de das Areal an das Stromnetz angebunden, so dass nun auch endlich elek­tri­sches Licht vor­han­den war. Im Volksmund erhielt die Siedlung den Bei­na­men "Tit­te­lei" nach ihrem Gründer.

 

 

Bild: Haus der Familie Petrich

1928 erfolgte durch den Verkauf weiteren Ackerlandes eine Erweiterung des ur­sprüng­li­chen Geländes der Kolonie Waldheil über das Vereinsgelände hinaus. Der heu­ti­ge Fliederweg wurde u. a. an mehrere Einwohner aus der Ludwigstraße in Hal­le verkauft. Die benachbarten Familien Raue, Portius und Dinger zogen wieder als Nachbarn in die Kolonie Waldheil um. Ihre Grundstücke befinden sich auch heu­te noch in Familienbesitz. Im Gegensatz zum Gelände des Vereins Waldheil wa­ren die neu­en Grund­stücke nicht an die Wasserversorgung angeschlossen, so dass die Anwohner sich selbst Brunnen anlegten. Durch das wegen des Braunkohleabbaus stark ge­fal­le­ne Grund­was­ser musste bis in eine Tiefe von 16 m gegraben werden. Die Familie Petrich betrieb ihren Brunnen durch ein Wind­rad, welches schon von weitem sichtbar war. Der Anschluss an die Wasserversorgung erfolgte erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, als die Anwohner in mühsamer Eigenarbeit einen Schacht vom Grundstück der Familie Dinger bis zum Eichenweg legten. Viel Mühe musste auch auf die Ur­bar­ma­chung des sandigen Geländes verwendet werden.

Bild: Ehemalige Gaststätte Waldheil

Franz Robert Tittel hatte zwar bereits in seinem Aufruf zur Gründung der Ko­lo­nie Wald­heil im Jahre 1909 von der Einrichtung einer Gaststätte gesprochen, seine Pla­nun­gen wurden jedoch erst zum Pfingstfest 1931 realisiert. In einem 1912 er­bau­ten Familienwohnhaus am Köllmer Weg entstand direkt gegenüber dem Hei­de­rand die Restauration „Waldheil". Das Lokal wurde zu einem beliebten Aus­flugs­lo­kal. Wäh­rend der DDR-Zeit wurde es von der Handelsorganisation (HO) ge­führt und ist seit 1990 nicht mehr in Betrieb.

Mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges durften keine Neubauten mehr errichtet werden. Lediglich die im Bau befindlichen Vorhaben durften beendet werden. Das Waldheilgelände diente nun auch für militärische Zwecke. So wurde die Gaststätte Waldheil von 1943 bis 1945 als Militärlager für Lehrfilme und Vorführgeräte ge­nutzt. Die Filmrollen wurden nach dem Krieg im Wald zerstreut und gefährdeten als explosives Material die Umwelt. Ab 1944 wurden beim Gelände der Kolonie Waldheil militärische Luftwaffenmaschinen und Fahr­zeu­ge abgestellt, die aufgrund von Treibstoffmangel nicht weiter betrieben werden konnten.

Nach dem zweiten Weltkrieg

Bild: Wohnlaube der Familie Tittel

Bis 1945 bildete die Kolonie Waldheil ein abgeschlossenes Gelände und war durch zwei Tore streng von seiner Umgebung abgetrennt. In der Nachkriegszeit dienten die Lauben als Unterkünfte für Vertriebene und später ebenfalls für Umsiedler. Ab 1946 leb­te auch die Ehefrau des Sohnes von Franz Robert Tittel mit ihren Kindern in der Wohnlaube der Familie Tittel, nachdem sie die Hallenser Wohnung aufgeben muss­ten. Um weitere notdürftige Wohngelegenheiten zu schaffen, wurden Eisen­bahn­wag­gons auf dem Gelände aufgestellt.
Einer dieser Waggons befindet sich auch heu­te noch an seinem Standort.

Erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erhielten die Straßen des Waldheilgeländes eigene Namen. Die Stra­ßen­ver­hält­nis­se und die Verkehrsanbindung blieben lange Zeit notdürftig. Es gab keine befestigte Stra­ßen in der Kolonie. Ausbesserungen führten die Anwohner in Eigenarbeit durch. Zweimal jährlich nutzte die sowjetische Armee die Dölauer Heide für Manöver, was zu schwierigen Straßenverhältnissen im Zu­fahrts­be­reich zum Waldheilareal führte. Eine Anekdote berichtet, dass man in die entstandenen Schlag­lö­cher ein zehnjähriges Kind hineinstellen konnte, von dem nur noch der Kopf zu sehen war. 1971 schick­te der Anwohner Joachim Raue eine Eingabe an den damaligen Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht mit dem Vorschlag, die 12 m breite Straße so zu unterteilen, dass zumindest für den zivilen Verkehr ein befestigter Fahrstreifen von 4 m Breite geschaffen werden konnte. Der Eingabe waren entsprechende Fo­to­gra­fi­en über den desolaten Zustand beigefügt. Die mit dem Bürgermeister von Lieskau und der Orts­par­tei­lei­tung abgestimmte Eingabe zeigte schon bald Erfolg, und die Kolonie Waldheil erhielt im Fol­ge­jahr endlich eine befestigte Zufahrtsstraße.

Während viele Einzelheiten der Bebauung durch die Pläne von Franz Robert Tittel genauestens vorgegeben wurden, z. B. die Bepflanzung des Randes der Grundstücke, wurden nur wenige Details der Planung tat­säch­lich realisiert. Die Originalbauten sind heute stark verändert. Die Bäume auf dem Grundstück von Franz Robert Tittel standen in der DDR sogar unter Naturschutz. Der 1909 gegründete Verein Waldheil e.V. hat­te sich im Jahre 1947 aufgelöst. Im Jahre 2000 wurde die Tradition mit der Gründung einer In­te­res­sen­ge­mein­schaft von Anwohnern der Kolonie Waldheil neu belebt.

Quellen:

Gespräche mit Anwohnern der Kolonie Walheil

Schenken, Herbergen und Hotels in Alt-Halle: Ausflugsziel „Waldheil"
In: Liberal-Demokratische Zeitung. Ausgabe Halle. – Halle, Saale. – 42 (1987), Nr. 141 vom 17.6.1987

Schultze-Galléra, Siegmar von:
Kolonie "Waldheil" bei Lieskau
In: Der Heide-Bote. – 8 (1934), Nr. 43 vom 25.10.1934

Tittel, Franz Gerhard:
Zur Geschichte des Golschmiedebetriebes Juwelier Tittel - Halle
Halle, [ca. 1958]. - Stadtarchiv Halle: Nachlass Franz Robert Tittel