Beschluss Kreisausschuss Saalkreises 22. April 1910

Beschluss des Kreisausschusses des Saalkreises vom 22. April 1910

(Protokoll vom 2. Mai 1910)

Beschluß!

In der Angelegenheit, betreffend den Antrag des Telegraphensekretärs a. D. Franz Braun in Halle a/S., Alte Promenade 26 p., vom 18. Oktober 1909 auf Erteilung der Ansiedlungsgenehmigung zu dem Bau eines Einfamilienwohnhauses auf dem in der Gemarkung Lieskau unweit der Dölauer Heide in der Kolonie „Waldheil" belegenen Grundstücke, Kartenblatt 3, Parzelle 155/89 hat der Kreisausschuß des Saalkreises in seiner Sitzung am 22. April 1910 beschlossen,

die gegen den Antrag erhobenen Einsprüche

a.des Gutsbesitzers Albert Knaut in Lieskau vom 23. Februar 1910 und

b.der Fabrikbesitzer Gebr. Baensch in Dölau vom 7. März 1910

 

als unbegründet zurückzuweisen und dem Telegraphen-Sekretär a. D. Franz Braun in Halle a/S. die nachgesuchte Ansiedlungsgenehmigung zu erteilen, ihm aber auf die Anträge der Gemeinde Lieskau vom 19. Februar 1910 und des Gemeindekirchenrats von Lieskau vom 18. Februar 1910 gemäß § 17 des Gesetzes vom 10. August 1904 eine besondere Leistung

a) für die Aenderung oder Neuordnung der Gemeindeverhältnisse die Hinterlegung einer Sicherheit in Höhe von 3500 Mk., buchstäblich „Dreitausendfünfhundert Mark"

b) für die der Kirchenverhältnisse eine solche von 500 Mk., buchstäblich „Fünfhundert Mark"

für jede in seiner beabsichtigten Ansiedlung enthaltene Familienwohnung aufzuerlegen, dagegen auf den Antrag des Schulvorstandes von Lieskau vom 15. Februar 1910 von der Festsetzung besonderer Leistungen für die Zwecke der Schulverhältnisse abzusehen. Die Hinterlegung der Summe hat in mündelsicheren Wertpapieren bei dem Gemeindevorsteher zu Lieskau zu erfolgen.

Tatbestand und Gründe:

Der Antrag des Telegraphensekretärs a. D. Franz Braun in Halle a/S., Alte Promenade 16 p, vom 10. Oktober 1909 auf Erteilung der Ansiedlungsgenehmigung zu dem Bau eines Einfamilienhauses auf dem in der Gemarkung Lieskau unweit der Dölauer Heide in der Kolonie „Waldheil" belegenen Grundstücke, Kartenblatt 3, Parzelle 155/89 hat nebst den mit ihm eingereichten Zeichnungen und Beschreibungen den Vorschriften des Gesetzes, betreffend die Gründung neuer Ansiedlungen, vom 10. August 1904 – G. S. S. 227 ff – entsprechend öffentlich ausgelegen. Innerhalb der gesetzlichen Frist von 21 Tagen haben der Gutsbesitzer Albert Knaut – in Lieskau und die Fabrikbesitzer Baensch in Dölau gegen die Ansiedlung Einspruch erhoben. Der erstere begründet denselben damit, daß sein die Kolonie Waldheil im Norden begrenzendes Ackergrundstück durch die Anlage von Straßen und Plätzen bei schweren Niederschlägen und bei Tauwetter im Frühjahr überschwemmt werden würde. Die Gebrüder Baensch stützen ihren Einspruch auf § 15 a. a. O., da die Ansiedlung auf ihrem Mutungsfelde Minna 22 errichtet werden solle. Ferner haben die Gemeinde Lieskau und der Gemeindekirchenrat und der Schulvorstand von Lieskau gebeten, die Ansiedlungsgenehmigung zu versagen oder nur unter der Bedingung zu erteilen, daß für die Gemeinde 7500 Mk. für die Kirche 850 Mk. und für die Schule 2700 Mk. für jede in der beabsichtigen Ansiedlung enthaltene Familienwohnung gezahlt werden. Die Festsetzung der Leistungen wird damit begründet, daß durch diese Ansiedlung im Verein mit den übrigen auf dem Grundstücke Waldheil zu gründenden Ansiedlungen Mehrausgaben für Armenlasten, Schaffung eines neuen Friedhofs, Gemeindearbeiten, Nachtwächterdienst, Wasserversorgung des Terrains Waldheil, Kanalisation, Straßenausbau, Pfarre, Küsterei, Erweiterung der Kirche, Schulneubau und Abstellung eines 3. Lehrers entstehen würden.

Es war, wie geschehen, zu beschließen.

Von dem Grundstücke der Kolonie Waldheil bei Lieskau haben mehrere Personen Parzellen erworben, um sich dort Einfamilienwohnhäuser zu errichten, insbesondere zum Aufenthalt während der Sommermonate. Wie dem Kreisausschuß bekannt ist, ist die Anlegung von Straßen und die Kanalisation derselben vorgesehen. Der Einspruch des Gutsbesitzers Knaut in Lieskau vom 23. Februar 1910 ist deshalb ungerechtfertigt und zwar umsomehr, als es sich zunächst nur um zwei Wohnhäuser handelt. Eine Beeinträchtigung des Knautschen Grundstücks durch Ueberschwemmung erscheint als Folge der beiden Neuansiedlungen so gut wie ausgeschlossen. Auf den Einspruch der Gebrüder Baensch in Dölau vom 7. März 1910 ist nach § 16 Abs. 1 a. a. O. eine gutachtliche Aeußerung der zuständigen Bergpolizeibehörde eingeholt worden. Aus derselben geht hervor, daß die Gebrüder Baensch zwar das Mutungsrecht haben, daß aber z. Zt. Bergbau dort nicht betrieben wird. Ferner wird in der Aeußerung hervorgehoben, daß in Anbetracht der vermutlich nur geringen Kohlemächtigkeit und da das zu besiedelnde Grundstück überdies in der Nähe der Grenzen des Feldes der Braunkohlengrube Minna 22 bei Lieskau belegen sei, wodurch der Betrieb dieses Bergwerkes durch die Besiedlung fast gar nicht beeinträchtigt werden würde, die wirtschaftliche Bedeutung des uneingeschränkten Abbaues des Minerals nicht für derartig gehalten würde, daß sie die der Ansiedlung überwiege. Der Einspruch der Fabrikbesitzer Gebrüder Baensch war deshalb ebenfalls als unbegründet anzusehen.

Beide Ansprüche waren mithin zurückzuweisen.

Die Anträge der Gemeinde Lieskau vom 19. Februar 1910 und des Gemeindekirchenrates vom 18. Februar 1910 auf Festsetzung besonderer Leistungen waren teilweise für begründet zu erachten, da der Gemeinde und der Kirche durch diese Ansiedlung im Verein mit den anderen geplanten Ansiedlungen voraussichtlich besondere Lasten erwachsen werden. Es erschien deshalb angemessen, dem Antragsteller gemäß § 17 a. a. O. eine besondere Leistung in Gestalt der Leistung einer Sicherheit aufzuerlegen, deren Höhe jedoch abweichend von den Anträgen der Gemeinde und Kirchengemeinde zu bemessen:

a.       für die Gemeindeverhältnisse auf 3500 Mk.

b.       für die Kirchenverhältnisse auf 500 Mk.

für jede in seiner beabsichtigten Ansiedlung enthaltene Familienwohnung. Werden von jeder der geplanten Ansiedlungen Beträge in dieser Höhe als Sicherheit gestellt, so ist unter Berücksichtigung der aus der Kolonie aufkommenden Steuern anzunehmen, daß die von der Gemeinde und Kirchengemeinde für die Kolonie zu machenden Mehraufwendungen durch diese Beträge gedeckt werden. Der Antrag des Schulvorstandes von Lieskau vom 18. Februar 1910 konnte dagegen keine besondere Berücksichtigungen finden, da Lieskau einen Einzelschulvorstand bildet und die Schullasten demgemäß sich als Gemeindelasten darstellen. Für diese ist bereits eine Sicherheitsleistung beschlossen worden, bei deren Bemessung auch die zu erwartenden vermehrten Schullasten mit in Betracht gezogen worden sind.

Von der Festsetzung einer besonderen Leistung für die Zwecke der Schulverhältnisse war daher abzusehen.

Halle a/S., den 2. Mai 1910.

Der Kreissauschuß des Saalkreises.

L. S. v. Krosigk.

Quelle:
Stadtarchiv Halle: Vereine Nr. 269: Waldheil 1909 - 1936