Sitzung Gemeindekirchenrat Lieskau vom 18. Februar 1910

Protokoll der Sitzung des Gemeindekirchenrates von Lieskau vom 18. Februar 1910

Abschrift

Verhandelt Lieskau, d. 18. Febr. 1910, in der Sitzung des Gemeinde-Kirchenrats.

Anwesend sind sämtl. Mitglieder. Die Versammlung ist beschlußfähig.

Vorgelegt werden vom Vorsitzenden zwei Verfügungen des Kreis-Ausschusses des Saalkreises, inhaltlich deren a) der Telegraphensekretär a. D. Franz Braun in Halle a/S. und b) die verwitwete Frau Bahnmeister Luise Kugler in Halle a/S. beabsichtigen auf ihren in der Gemarkung Lieskau, unweit der Dölauer Heide – in der sogenannten Kolonie „Waldheil" – gelegenen Grundstücke je ein Einfamilienwohnhaus zu errichten und hierzu die Ansiedlungsgenehmigung beantragt haben, und woraufhin der Gemeindekirchenrat aufgefordert wird, eventuell geltend zu machende Anträge auf Festsetzung besonderer Leitungen für die Zwecke der Kirchenverhältnisse gebührendes Ortes rechtzeitig anzubringen. 

Nach eingehender Beratung dieser Angelegenheit kommt der Gemeindekirchenrat zu folgender Beschlussfassung: Da ausgesprochenermassen so ziemlich die ganze Gemeinde Lieskau der Einrichtung der betreffenden Kolonie in Lieskauer Flur durchaus ablehnend gegenübersteht und den Bau irgendwelcher Wohnhäuser an dem hierzu in Aussicht genommenen Ort absolut nicht wünscht,

kann sich der Gemeindekirchenrat als Vertreter der Kirchengemeinde ganz offenbar auf einen anderen Standpunkt nicht stellen. Somit bittet er zuvörderst die bezüglichen Instanzen – in erster Linie den verehrlichen Kreisausschuß des Saalkreises – den Ansiedlungsgesuchen der obengenannten beiden Interessenten die Genehmigung überhaupt nicht erteilen zu wollen.

G r ü n d e:

Es ist dem Gemeindekirchenrat beim besten Willen nicht möglich, für die Gemeinde Lieskau in dem geplanten Unternehmen irgend einen Vorteil zu erblicken, wohl aber befürchtet er aufs äußerste, daß eine ganze Reihe Lasten und Schwierigkeiten nach jeder Hinsicht für die Gemeinde daraus erwachsen werden. Speziell was die kirchlichen Verhältnisse anbetrifft, so würde, wenn andere Unzuträglichkeiten wirklich nicht eintreten sollten, eine Erschwerung des Pfarrdienstes durch eventuell zu vollziehende Taufen, Trauungen und besonders Begräbnisse unbedingt erfolgen.

Weiter ist in Erwägung zu ziehen, daß das Kirchengebäude nur für die Gemeinde, wie sie jetzt ist, genügenden Raum hat und daß im besonderen Sitzplätze überhaupt nicht mehr zur Verfügung sind und daß infolgedessen die Notwendigkeit eines Erweiterungsbaues, wenn die Kolonie auch nur einen mäßigen Umfang annimmt und Anspruch auf Sitz und Platz in der Kirche erhoben wird, sofort da ist. Ein solcher Bau würde aber nach ganz mäßiger Schätzung unter 15000 Mk. gewiß nicht ausgeführt werden können. Es müßte bei Vermehrung des Kirchendienstes zweifellos auch eine Entschädigung der Kirchenbeamten erfolgen, die mit 400 Mk. pro anno nicht zu hoch gegriffen sein dürfte. Diese Belastung kapitalisiert erfordert die Summe von mindestens 10000 Mk.

Der Gemeindekirchenrat erachtet es für unumgänglich nötig, daß diese beiden Summen eventuell von den Interessenten allein geleistet werden müßten. Dabei würden in der Annahme, daß über kurz oder lang etwa 30 Einfamilienwohnhäuser errichtet werden, auf jeden einzelnen Interessenten rund 850 Mk. entfallen.

Somit beantragt der Gemeindekirchenrat: der verehrliche Kreisausschuß des Saalkreises wolle 1) dem p. Braun und 2) der p. Kugler die Genehmigung zur Ansiedlung in der sogenannten Kolonie „Waldheil" bzw. zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses ebenda nur unter der Bedingung erteilen, daß sie jeder für sich 850 Mk., in Worten achthundertfünfzig Mark, in zweckentsprechender Weise hinterlegen und der Kirchengemeinde Lieskau das Recht zuerkennen, daß sie diese Summen gegebenen Falles verwendet.

V. g. u. (Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben)

Gez. Hintzsche, Pastor

Vorsitzender,

Hage, Knaut.

Quelle:
Stadtarchiv Halle: Vereine Nr. 269: Waldheil 1909 - 1936