www.mz-web.de vom 18.03.2009
Juwelier aus Halle legte vor 100 Jahren mit Vereinsbildung in Lieskau den Grundstein VON KORNELIA PRIVENAU, 18.03.09, 15:59h, aktualisiert 18.03.09, 19:53h
Das heute älteste Haus der Heiderand-Siedlung Waldheil in Lieskau ist immer noch bewohnt. (FOTO: JAN MöBIUS)
LIESKAU/MZ. Im Juli wird in der Gemeinde Lieskau gefeiert. Kein übliches Dorf- oder Sommerfest, es geht vielmehr um ein besonderes Jubiläum: Die Siedlung Waldheil wird 100 Jahre alt. Bürgermeister Harald Schubert (parteilos): "Wir wollen beim Fest einen Gedenkstein für den Schöpfer aufstellen." Organisatoren des Festes sind der Bürgerverein Lieskau und die Interessengemeinschaft Waldheil.
Die Idee, eine Kolonie am Waldrand zu schaffen, hatte der Juwelier Franz Robert Tittel (1860-1936) aus Halle. Eine Gartenstadt für gestresste Großstädter - als Vorbild sah Tittel die Rudolstädter Gartenstadtbewegung, mit der er sich intensiv beschäftigte. 1909 lud Tittel Gleichgesinnte zur Gründung des Vereins "Waldheil" ein. Im Stadtarchiv Halle lagern der Nachlass Tittels und umfangreiches Material über das Werden und Wachsen der Waldsiedlung. Auf diese Quelle greifen auch die Mitglieder des aktuellen Vereins zurück, die die Jubiläumsfeiern im Juli vorbereiten.
Gute Vorarbeit geleistet
1910 / 11 gab es die ersten Bauanträge von Hallensern. Tittel hatte gute Vorarbeit geleistet. Er hatte nicht nur den Zweck, an der Heide eine Sommer- und Laubenniederlassung zu bauen, ausführlich erklärt. Der Juwelier sorgte auch dafür, dass den Interessenten der Erwerb preisgünstigen Baulandes ermöglicht und verschiedene Architektenentwürfe für die Lauben und Häuser zugänglich wurden.
Bereits 1910 wurde die erste Baugenehmigung erteilt - obwohl, wie aus den Aufzeichnungen hervorgeht, der damalige Gemeinderat Sturm lief gegen das Projekt. Die Erschließung allerdings zog sich dann auch hin.
Das Vereinsgelände bot rund 200 Parzellen. Jeweils die Hälfte wurden als Bauplätze für Lauben und Gartenhäuser genutzt. Ausdrücklich war eine Vereinbarung getroffen worden, dass Vereinsmitglieder auch mehrere Parzellen erwerben durften. Das erste Wohnhaus, eine Villa, wurde 1912 gebaut. Der Erbauer musste bei der Gemeinde Lieskau eine Kaution in Höhe von 500 Mark hinterlegen.
Während der Zeit des Ersten Weltkrieges (1914-1918) wurde nicht gebaut. Jetzt entwickelte sich die Waldsiedlung praktisch zu einem großen Obst- und Gemüsegarten. Die Siedler versorgten Familien und Freunde. Kohl, Hülsenfrüchte, äpfel und Kartoffeln waren am begehrtesten. Für den Gemüsebau sind laut überlieferung sogar gemeinschaftlich Gartengeräte angeschafft worden.
Zwei Jahre nach Kriegsende gab es immerhin schon 21 Hausbesitzer in der Kolonie. Aber es mussten noch sechs Jahre vergehen, ehe die Siedlung elektrisches Licht bekam. An die Wasserversorgung durch das Werk in Dölau war das Waldheil dagegen schon 1912 angeschlossen worden.
Brunnen wurden gegraben
Die Siedlung wuchs weiter. Die Nachfrage nach Bauland war groß, so dass über das ursprüngliche Vereinsland hinaus gepachtet wurde. Im Gegensatz zum Gelände des Vereins waren die "Neuen" nicht ans Trinkwassernetz angeschlossen. Die Siedler krempelten die ärmel hoch, gruben sich in gegenseitiger Hilfe Brunnen, zum Teil bis zu 16 Metern tief. Erst in den 60er Jahren erfolgte ein Anschluss an die zentrale Wasserversorgung. Das heute älteste Haus der Siedlung Waldheil ist bewohnt, steht im Fliederweg und trägt noch die typischen architektonischen Merkmale. Die einst beliebte Ausflugsgaststätte mit dem Namen Waldheil dagegen ist eine Ruine.